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Eltern-Kind-Bindung: stärkt fürs Leben

Babys können vom ersten Tag an ausdrücken, was sie brauchen. Je besser Eltern sie verstehen und ihre Bedürfnisse stillen, desto stärker wird die Eltern-Kind-Bindung. Und die sorgt für (Selbst-)Vertrauen, Lernerfolge und einen guten Start ins Leben! Worauf’s ankommt, erfahren Sie hier von der Bindungsforscherin und Professorin Dr. Fabienne Becker-Stoll.  

Über Fabienne Becker-Stoll

Professorin Dr. Fabienne Becker-Stoll ist Diplom-Psychologin und Direktorin des Staatsinstituts für Frühpädagogik (IFP) in München. Die Bindung zwischen Kind und Eltern ist ihr berufliches Lebensthema. Mit Fragen der Verbundenheit und der Autonomie (= Selbstständigkeit) befasste sie sich auch in ihrer Dissertation und Habilitationsschrift. Die Wissenschaftlerin ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern.

Das Staatsinstitut für Frühpädagogik ist eine wissenschaftliche Einrichtung des Freistaats Bayern und nachgeordnete Behörde des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales. Aufgabe des Instituts ist die stetige Weiterentwicklung der Frühpädagogik. Im Mittelpunkt steht die frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung.

Porträtfoto: Professorin Dr. Fabienne Becker-Stoll.

Professorin Dr. Fabienne Becker-Stoll leitet das Staatsinstitut für Frühpädagogik. In ihrer Forschung befasst sie sich vor allem mit Fragen der Bindung und Autonomie. 

Was ist Eltern-Kind-Bindung? 

„Die Eltern-Kind-Bindung ist ein biologisch angelegtes Verhaltenssystem. Es sichert das Überleben des Einzelnen und unserer Art“, erklärt Professorin Fabienne Becker-Stoll. Für ein neugeborenes Menschlein bedeutet das: Der Säugling versucht, Kontakt mit den Erwachsenen aufzunehmen, die sich um ihn kümmern, ihn versorgen und beschützen: Indem er weint oder schreit, teilt der Säugling seine Bedürfnisse mit.

„Wie sich ein Mensch in seinem Leben entwickelt, hängt von positiven nahen Beziehungen ab: der Bindung.“

Bindungsperson Nummer 1: meist die Mutter

In den ersten Wochen und Monaten ist meist die Mutter der wichtigste Mensch für den Säugling. Sie ist rund um die Uhr mit ihm zusammen, stillt ihn, schläft an seiner Seite. Sie wird zur Bindungsperson Nummer 1 für das Kind. Nummer 2 ist oft der Vater, Nummer 3 vielleicht der Opa, der regelmäßig als Babysitter einspringt. „Einmal Nummer eins, immer Nummer eins“, versichert Fabienne Becker-Stoll: „Auch, wenn das Kind in der Kita seiner Erzieherin freudig in die Arme läuft.“

Nahaufnahme: Eine junge Mutter kuschelt mit ihrem Säugling.

Bindungsperson Nummer 1 ist für die meisten Kinder die Mutter. 

Bindung stärkt das Vertrauen und Selbstvertrauen

Babys kommen als Bindungsprofis zur Welt. Sie teilen den Eltern mit, was sie brauchen. Und auch die meisten Eltern machen das mit der Bindung intuitiv richtig, betont Fabienne Becker-Stoll. Sie überprüfen, ob das weinende Baby Hunger hat, eine frische Windel braucht oder übermüdet ist. Bäuchlein voll, Windel trocken, ausgeschlafen? Dann hat das Baby vielleicht Angst. Die Eltern nehmen es aus dem Bett, wiegen es, geben ihm viel Körperkontakt, flüstern beruhigend auf es ein ... und spüren, wie sich der kleine Mensch in der Geborgenheit ihrer Arme entspannt und beruhigt. Wenn die Eltern auf das Baby reagieren, wenn sie erkennen und ihm geben, was es braucht, dann wächst im Kind Vertrauen – und auch sein Selbstvertrauen. Eine gute Eltern-Kind-Bindung ist auch die Grundlage für Lernerfolge!

Wussten Sie schon ... 

  • Kinder haben ein angeborenes Bindungsverhalten. 
    Sie stellen Kontakt her und teilen sich mit: mit Weinen, Schreien, später mit Blicken oder einem Lächeln, und schließlich, indem sie zu den Eltern krabbeln oder gehen, sich am Bein hochziehen und festhalten. 
  • Eltern haben ein angeborenes Pflegeverhalten. 
    Sie wissen in vielen Situationen instinktiv, was ihr Kind braucht und wie sie seine Bedürfnisse stillen können. „Die menschlichen Ohren hören am besten in der Frequenz, in der ein Kind schreit“, erklärt Fabienne Becker-Stoll. Das gilt übrigens für Frauen wie für Männer: Auch Väter stattet die Natur mit feinen Antennen für die Baby-Bedürfnisse aus.

Wie baue ich Bindung zu meinem Baby auf? 

„Das Baby kann nicht zum Kühlschrank gehen oder den Lieferdienst anrufen, wenn es Hunger hat“, veranschaulicht Fabienne Becker-Stoll. Es muss die Eltern aktivieren. Oder, wie die Fachfrau es ausdrückt: „Es muss die überlebensgarantierende Bindungsperson herholen.“ Reagieren die Eltern nicht frühzeitig, schreit das Baby, bis es keine Kraft mehr hat. Das kann für das Kind gefährlich werden. In jedem Fall bedeutet es für ein Baby massiven Stress; es fühlt sich verloren und schutzlos. Feinfühlige Eltern erkennen die Vorboten von Baby-Stress, erklärt Fabienne Becker-Stoll. Und die Psychologin verspricht: „Ein Kind, das nicht gestresst ist, stresst auch die Eltern nicht.“

Tipps für junge Eltern: Wenn das Baby weint, schreit oder unruhig ist ...

  • Gucken Sie sofort nach, was es braucht: Hat es Hunger, ist die Windel voll? Ist es zu warm eingepackt? 
  • Babys kommen mit allen menschlichen Gefühlen auf die Welt, auch mit Angst. Oft reicht es, dass das Baby Ihre Anwesenheit spürt, um sich wieder sicher und geborgen zu fühlen. 
  • Stellen Sie Körperkontakt etwa durch Streicheln oder Händchenhalten her. Aber nehmen Sie das Baby nicht immer gleich aus dem Bettchen. 
  • Wenn Sie auf Grundbedürfnisse eines Babys sofort antworten, bedeutet das überhaupt nicht, dass Sie es verwöhnen. Sondern dass Sie eine starke Bindung aufbauen und die besten Voraussetzungen für Ihr Baby schaffen. 

„Wenn ein Kind lange alleine schreit, wird sein noch unfertiges Gehirn mit Stresshormonen geflutet. Das Gegenmittel gegen Stress ist das Hormon Oxytocin. Dieses „Kuschelhormon“ wird beim liebevollen Körperkontakt zu einer vertrauten Person ausgeschüttet!“

Was ist Feinfühligkeit? Das Baby beobachten ... und lernen

Alle sprechen von Achtsamkeit und Feinfühligkeit. Aber was bedeutet das für mich und mein Baby? Fabienne Becker-Stoll gibt ein Beispiel: „Wenn ein Kind schon vor Hunger brüllt, ist es sehr schwierig, ihm die Brust oder die Flasche zu geben. Beobachten Sie Ihr Baby, wenn es schläft. Achten Sie auf die kleinen Signale. Wenn es anfängt, seine Händchen und Beinchen zu bewegen, kann das ein Anzeichen für Hunger sein. Legt die Mutter das Kind frühzeitig an, kann es auch im Halbschlaf gut trinken – und dann wieder satt und zufrieden in den Tiefschlaf zurückgleiten.“

Ein Baby liegt in seinem Bettchen und schläft entspannt.

Wer sein Baby genau beobachtet, lernt seine „Sprache“ kennen und verstehen. Nicht nur, wenn das Baby wach ist, sondern auch, während es schläft! 

Für Fabienne-Becker-Stoll ist das Wochenbett wie geschaffen, um die Sprache des Kindes zu erkunden und die Bindung aufzubauen. In den sechs Wochen nach der Geburt sollte die Frau nicht ihren Körper auf Instagram-Maße zurücktrimmen und versuchen, einen Top-Auftritt als frischgebackene Super-Mama hinzulegen (übrigens auch später nicht). Sondern sich erholen, körperliche Anstrengung vermeiden und die Zeit mit ihrem Neugeborenen genießen. 

Wochenbett: sechs Wochen Mutter-Kind-Zeit

„In diesen sechs Wochen soll sich die Frau um gar nichts kümmern, nicht den Wochenendeinkauf, nicht den Wohnungsputz“, fordert Fabienne Becker-Stoll. „Sie soll ihr Lieblingsessen bekommen und eine Fußmassage ... Sie braucht viel emotionale Unterstützung. Dann kann sie sich ganz darauf einlassen, das Baby kennen, lesen und verstehen zu lernen: seine Signale wahrnehmen, richtig deuten und angemessen reagieren.“

Über den Begriff „Stilldemenz“ schüttelt Fabienne Becker-Stoll nur den Kopf. „Nehmen Sie sich die Zeit, die Körpersprache und die Signale des Babys verstehen zu lernen. Das feinfühlige Beobachten ist ein Extremtraining fürs Gehirn, man ist hinterher schlauer!“ 

Der „Kreis der Sicherheit“

Sobald die Kleinen krabbeln können, gewinnen sie an Selbstständigkeit. Neugierig erkunden sie ihre Umgebung und testen ihre Fähigkeiten. Fabienne Becker-Stoll nennt das: den Explorationsmodus. Jetzt brauchen die Kinder genügend Freiraum – aber immer auch die verlässliche Nähe. Die Bindungspersonen, ob Mutter, Vater, Omi oder Erzieher, sind für ein Kind wie 

  • eine sichere Basis: Von hier aus kann das Kind, ermutigt und bestärkt, die Welt entdecken und sich erproben. 
  • ein sicherer Hafen: Hierhin kehrt es zurück, wenn es Unterstützung und Geborgenheit, Trost und Schutz braucht.

(Die folgende Bilderserie basiert auf einer Darstellung in der ifp-Broschüre „Feinfühligkeit von Eltern und ErzieherInnen", angelehnt an Cooper, Hoffman, Marvin & Powell, 2000.)

3 (überlebens-)wichtige Kinderwünsche an Mama und Papa

IMMER: Sei größer, stärker und klüger als ich – und dabei immer liebenswürdig.

WENN MÖGLICH: Folge meinen kindlichen Bedürfnissen. 

WENN NÖTIG: Übernimm die Leitung!

Bei Fragen oder Problemen: Rat & Hilfe holen!

Frühzeitig Hilfe-Plan aushecken 

„Man kommt mit Neugeborenen fast immer an seine Grenzen“, sagt Fabienne Becker-Stoll. Ihr Tipp: Bevor das Kind zur Welt kommt, sollten die Eltern gemeinsam überlegen: Was wünsche ich mir von dir als Partner oder Partnerin, wenn ich mal nicht mehr kann? Wo können wir Essen bestellen? Wen können wir anrufen und sagen: „Hier ist Land unter, kannst du mal helfen?“ Wo bekommen wir Profi-Rat auf unsere Fragen und bei Problemen? (Adressen finden Sie unten!)

„Wer mit seiner Kraft am Ende ist, kann nicht feinfühlig reagieren. Es gibt zum Glück diese vielen schönen Anlaufstellen: Holen Sie sich jede Unterstützung!“

Holen Sie sich Unterstützung! Keine Frage ist unwichtig, kein Problem ist peinlich.

Egal, ob Sie nur eine Alltagsfrage rund um Baby oder (Klein-)Kind beschäftigt, ob ein Erziehungsproblem immer wieder auftaucht oder ob Sie in einer Krise stecken und nicht mehr weiterkönnen: Es gibt Fachleute, die Sie beraten und bei Bedarf auch konkret unterstützen.

Anlaufstellen für Eltern: online, telefonisch & vor Ort

Top-Tipp: die bke-Elternberatung

Eine gute Adresse bei allen Fragen und Problemen: Erziehungsfachleute der bke-Elternberatung beraten Sie per E-Mail oder im Einzel-Chat. Eltern tauschen sich im Gruppenchat und in Foren aus. Alle Angebote der bke-Elternberatung sind anonym (= Sie müssen Ihren Namen nicht nennen), kostenfrei und datensicher: zur bke-Elternberatung

  • Schwangerschaftsberatungsstellen
    Eine wichtige Anlaufstelle für (werdende) Eltern und Paare sind die Schwangerschaftsberatungsstellen in Bayern. Dort bekommen Sie nicht nur alle Antworten auf Ihre Fragen rund um Familienplanung, Schwangerschaft und Geburt, sondern auch bis zum 3. Geburtstag des Kindes. Ein breites Info-Angebot finden Sie außerdem auf der Website schwanger-in-bayern.de
  • Schreibaby-Beratung
    Manche Babys schreien stundenlang ohne erklärbare Ursache und lassen sich nur schwer oder gar nicht beruhigen. Können medizinische Ursachen ausgeschlossen werden, bieten in Bayern rund 50 Standorte ein Beratungsangebot für Eltern mit Schreibabys durch speziell fortgebildete Fachkräfte an.
  • Familienstützpunkte
    Rat und Unterstützung erhalten Sie auch in einem der zahlreichen Familienstützpunkte in Bayern. Das sind gut vernetzte Kontakt- und Anlaufstellen mit vielfältigen und konkreten Angeboten der Eltern- und Familienbildung. Die Familienstützpunkte bieten für die unterschiedlichen Bedürfnisse der Familien je nach Alter des Kindes und Familiensituation geeignete Hilfen an oder vermitteln an entsprechende Einrichtungen.
  • Erziehungsberatungsberatungsstellen
    Bei individuellen und familienbezogenen Problemen können sich Kinder, Jugendliche und Eltern auch über die frühe Kindheit hinaus für alle Lebensphasen an die rund 180 Erziehungsberatungsstellen in Bayern wenden. Die Beratung ist kostenfrei.
  • Koordinierende Kinderschutzstellen (KoKi)
    Die Koordinierenden Kinderschutzstellen (KoKi) der Jugendämter vernetzen die regionalen Angebote Früher Hilfen, unterstützen Eltern und vermitteln sie an die richtigen Stellen vor Ort. Hier finden Sie Infos und alle KoKis in Bayern.

Lesetipps: Eltern-Kind-Bindung

  • Broschüre „Stark durch Bindung“
    Wichtige und interessante Infos, einfach erklärt, und viele Praxisbeispiele und Bilder aus dem Babyleben: Broschüre „Stark durch Bindung“ (PDF) herunterladen

  • Faltheft „Stark durch Bindung“ in 18 Sprachen
    Geben Sie im Bestellportal der Bayerischen Staatsregierung „Stark durch Bindung“ ein. Dann können Sie das Faltheft (Leporello) mit kompakten Infos in Ihrer Wunsch-Sprache herunterladen.

  • Elternbriefe 
    Die Elternbriefe begleiten Eltern von der Geburt ihrer Kinder bis zum Erwachsenwerden mit praktischen Tipps. Auf baer.bayern.de können Sie die Elternbriefe „0 bis 3 Jahre" herunterladen oder als Flipping-Books online durchblättern.

  • Broschüre: „Feinfühligkeit von Eltern und ErzieherInnen“
    Ausführliche Infos zum Kreis der Sicherheit, zum Umgang mit Gefühlen und mit Grenzen bietet eine Broschüre des IFP und des BKK-Landesverbands. Infos und Download: zur Broschüre „Feinfühligkeit von Eltern und ErzieherInnen"

  • Buch: „Bindung. Eine sichere Basis fürs Leben“
    Das große Elternbuch für die ersten sechs Jahre von unserer Gesprächspartnerin Fabienne Becker-Stoll sowie Kathrin Beckh und Julia Berkic erhalten Sie im Buchhandel. Auf der Website des IFP erfahren Sie mehr über „Bindung. Eine sichere Basis fürs Leben“.​​​​

     

Entgegen dem Rat einiger Bücher sollte beim Schreien des Babys sofort Kontakt mit ihm aufgenommen werden. Wenn ich mein Kind immer wieder verlasse, dann wird sein Bindungsverhalten bis in die Panik gesteigert. Irgendwann wird dieses Kind vor Erschöpfung einschlafen. Aber es wird dem Kind nicht gutgehen. Wenn Sie das Gefühl haben: „Wir packen das nicht“, dann holen Sie sich rechtzeitig Hilfe. Jede Beratung steht Ihnen zu!