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Ein Netzwerk, das stark macht fürs Netz

Alle reden über „das Internet“ und seine Gefahren für Heranwachsende. Und kaum ein Tag vergeht, ohne dass in Familien nicht um Online-Minuten gefeilscht wird … Doch nur selten fragen Erwachsene bei Kindern und Jugendlichen nach, was sie an Sozialen Medien oder Online-Spielen begeistert – und wovor sie beim Surfen, Spielen und Chatten wirklich Angst haben. Das JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis – hört genau hin, bringt die Generationen miteinander ins Gespräch und macht sie fit für alte und neue Medien. Kathrin Demmler leitet das JFF. Sie findet: Eltern sind im Umgang mit Medien oft selbst keine guten Vorbilder. Und gemeinsame Regeln sind viel besser als Verbote!

Was macht das JFF?

Schon seit 1949 wird der Umgang von Kindern und Jugendlichen mit Medien am JFF erforscht. Wissenschaft und Praxis befruchten einander: Ihre Erkenntnisse setzen die heute rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in pädagogische Praxis um. Sie arbeiten mit Heranwachsenden genauso wie mit Eltern, Lehrkräften und Fachkräften aus Kitas und der Jugendarbeit. Für diese Zielgruppen entwickeln sie auch passgenaue Materialien und Websites. Aus der Projektarbeit gewinnen sie immer wieder Anregungen für die Forschungsarbeit.

Das JFF betreibt das Medienzentrum München (MZM) und die Medienstelle Augsburg (MSA). Dort können Kinder und Jugendliche Medienprojekte umsetzen und in Radio- und Fernsehredaktionen mitarbeiten. Das MZM und die MSA veranstalten Wettbewerbe und Festivals; außerdem bieten sie Fortbildungen an.

Das Familienministerium fördert das JFF 2017 mit rd. 900.000 Euro.

Surftipp: Links zu Angeboten und Projekten des JFF finden Sie ganz unten!

Über Kathrin Demmler

Porträtfoto: Kathrin Demmler.

Kathrin Demmler, Direktorin des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis.

Kathrin Demmler hat ein Lehramtsstudium abgeschlossen. Ab 1999 arbeitete sie als medienpädagogische Referentin am JFF. 2010 übernahm sie die Leitung des Instituts.

ERKLÄRT

Medien vermitteln z. B. Austausch, Infos oder Unterhaltungsangebote. Es gibt gedruckte und elektronische Medien. Medien im engen und weiteren Sinn sind

  • Zeitungen und Zeitschriften
  • TV- und Radiosender
  • Websites / Videoportale und Soziale Medien wie YouTube, Facebook, Instagram und Twitter / Messenger-Dienste wie WhatsApp und Snapchat
  • Videospiele / DVDs / Blu-rays usw.

Raus aus der Schmuddelecke!

Frau Demmler, wie werden Familien in den Medien dargestellt?

Kathrin Demmler: Egal, ob man Filme im Fernsehen oder auf YouTube sieht: Man hat heute den Eindruck, dass es inzwischen mehr Vielfalt gibt. Es kommen Regenbogenfamilien vor und die klassische Rollenteilung der Eltern wird auch mal vertauscht. Studien zeigen aber, dass den aktiven Anteil in den Rollen immer noch überwiegend der Mann hat. Nur ein Drittel der Frauen hat aktive Rollen, die anderen sind eher attraktives Beiwerk. Auch Animationsfilme für Kinder entsprechen diesen klassischen Mustern; für kleine Mädchen ist alles rosa, süß und lieblich, für Jungs gibt es Action und Kampf.

Diese Darstellung zieht sich durch bis in moderne Entwicklungen wie YouTube. Bekannte YouTube-Kanäle von Mädchen beschäftigen sich mit den Fragen: „Wie sehe ich aus?“ – „Wie wirke ich auf andere?“. Channels von Jungs drehen sich eher um Computerspiele und Wettkampf.

In Spielfilmen haben Kinder übrigens nur selten eine große, tragende Rolle. Sie sind oft Opfer, zum Beispiel in Krimis, werden bedroht, entführt, ermordet.

Das ist mir noch gar nicht so aufgefallen …

Genau: Das nehmen Erwachsene oft gar nicht wahr. Aber Kindern macht das Angst. Genauso übrigens wie Nachrichtensendungen. Uns ist nicht ausreichend bewusst, was die Berichterstattung über Kriege oder Naturkatastrophen in Kindern bewegt.

Ob Fernsehen oder Internet: Wie können Familien Kinder schützen und stärken?

Wichtig ist, miteinander zu reden. Und zwar nicht erst, wenn es ein Problem gibt. Eltern sollten mit ihren Kindern übers Fernsehen, das Internet und die Sozialen Medien sprechen. Sie sollten sie nicht kritisieren, sondern Interesse dafür zeigen, was ihre Kinder begeistert und wie sie die verschiedenen Medien nutzen. Was macht euch Spaß, was macht euch Angst? Über diese Fragen können Familien ins Gespräch kommen.

GESAGT

Was macht euch Spaß, was macht euch Angst? Über diese Fragen können Familien ins Gespräch kommen.

In unserer Elternarbeit laden wir auch zum Dialog zwischen den Generationen ein. Bei diesen Veranstaltungen können Eltern nicht nur die eigenen Kinder fragen, was gerade angesagt ist, was sie gerne anschauen und spielen – und warum sie Messenger-Apps so interessant finden.

Weil fremde Kinder eher als Fachleute in eigener Sache anerkannt werden als die eigenen?

Ja. Manchmal fällt es ja leichter, sich mit Außenstehenden auszutauschen. Das gilt übrigens nicht nur für den Dialog zwischen der Eltern- und der Kindergeneration, sondern auch zwischen Eltern. Wenn Eltern sich untereinander austauschen, stellen sie oft fest: „Dieses oder jenes Problem haben nicht nur wir – das haben irgendwann alle Familien.“ Deshalb ist ELTERNTALK als Gesprächsrunde von und für Eltern ein ganz wichtiges Angebot.

Wie wichtig ist das Vorbild der Eltern?

Eltern sind im Umgang mit Medien wahnsinnig schlechte Vorbilder – übrigens quer durch alle sozialen Schichten. Sie wollen nicht, dass die Kinder viel Zeit im Internet verbringen, können aber selbst nicht die Finger vom Handy lassen, wenn die Familie gerade beim Essen sitzt. Aber Eltern müssen auch nicht alles richtig machen. Viel wichtiger ist, dass sie ihr eigenes Verhalten kritisch betrachten und einfach zugeben: „Gestern Abend bin ich nicht vom Fernseher losgekommen …“.

GESAGT

Stellen Sie sich vor, Sie lesen ein spannendes Buch und plötzlich nimmt es Ihnen jemand aus der Hand, weil eine halbe Stunde vorbei ist!

Medien üben eine starke Faszination auf Kinder und Erwachsene aus. Man kann nicht gegen sie arbeiten! Besser als das Vorbild und besser als Verbote funktionieren gemeinsam vereinbarte Regeln. Ich halte nicht viel von festgelegten Internet- oder Spielzeiten pro Tag. Stellen Sie sich vor, Sie lesen ein spannendes Buch und plötzlich nimmt es Ihnen jemand aus der Hand, weil eine halbe Stunde vorbei ist! Besser funktioniert es bei kleinen Kindern, sich z. B. auf einen Inhalt pro Tag zu einigen – also ein Online-Spiel oder eine Folge der Lieblingsserie. Mit älteren Kindern können sich Eltern auf Gutscheine einigen. Je nach Alter bekommt das Kind eine bestimmte Zahl von Gutscheinen pro Woche – z. B. zehn Gutscheine über je eine halbe Stunde. Die kann es einzeln verbrauchen oder, an einem verregneten Samstag, auch mal drei Stunden am Stück spielen.

Kathrin Demmler hält Zeichenblock mit handschriftlichem Statement hoch.

Ob mit oder ohne Medien: „Familie ist eine wunderbare Herausforderung“, findet Kathrin Demmler.

Welchen Beitrag kann das JFF leisten?

Oft verurteilen Eltern die Internetnutzung ihrer Kinder pauschal und sagen „das ist doch alles Quatsch“. Wir wollen zum einen die Angebote aus der Schmuddelecke holen. Wir geben Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, ihre Meinung zu sagen. Wir bringen sie miteinander und mit Erwachsenen ins Gespräch. Jugendliche erklären dann selbst, wo sie Schutz brauchen. Sie sehen sich sehr wohl in der Lage, ein Video zu schließen, das sie ängstigt oder Ekel hervorruft. Aber wenn sie in Konflikte im Netz verwickelt werden, brauchen sie Unterstützung. Deshalb arbeiten wir nicht nur mit Kindern und Jugendlichen, sondern auch mit Eltern, mit Lehrkräften und Fachkräften in Kitas und der Jugendarbeit. Kinder und Jugendliche brauchen eine Person in ihrem Umfeld, der sie vertrauen – und der sie Kompetenz in Online-Themen zusprechen. Das kann der Vater genauso sein wie die Lehrerin, die Tante oder die große Schwester. Wichtig ist, gemeinsam zu überlegen, miteinander eine Lösung zu finden.

Bub macht mit einem Tablet-Computer ein Foto.

In JFF-Projekten wie dem Knipsclub lernen Kinder und Jugendliche, wie man selbst Medieninhalte gestaltet …

Bub mit Aufkleber „Knipsclub“.

Dabei üben sie auch den kritischen Umgang mit Medien.

Zum anderen geben wir Kindern und Jugendlichen Sendemöglichkeiten für ihre Inhalte – im Radio, im Fernsehen, im Internet. Sie sollen gehört werden! Dabei vermitteln wir ihnen auch journalistische Grundkenntnisse. Recherchieren zu können ist heute für alle Menschen wichtig. Wenn Jugendliche gemeinsam in der Redaktion arbeiten, üben sie auch, Meinungen auszutauschen, andere Meinungen zu respektieren und gemeinsam einen Standpunkt zu entwickeln.

ÜBRIGENS

Die Eurochild-Konferenz 2016 in Brüssel beschäftigte sich mit Themen wie Kinderarmut, Kinder auf der Flucht, Kinder in Pflege. Kinder ab 12 Jahren und Jugendliche waren aktiv in die Vorbereitung und Organisation eingebunden. Ein internationales Jugendteam dokumentierte die Konferenz, darunter auch Reporterinnen und Reporter von matz, der Jugendfernsehredaktion des Medienzentrums München – einer Einrichtung des JFF. Durch Projekte wie dieses lernen Kinder und Jugendliche nicht nur, kritisch mit Medien umzugehen. Sie produzieren selbst Inhalte für Radio, TV und Internet.

Kinder stärken: Tipps für Eltern

Was macht Kinder und Jugendliche im Umgang mit Medien stark? Tipps für Eltern von JFF-Direktorin Kathrin Demmler:

  • Sprechen Sie mit Ihren Kindern über Fernsehen, Internet, Soziale Medien. Zeigen Sie Interesse dafür, was Ihre Kinder begeistert und wie sie die Medien nutzen.
  • Machen Sie den Umgang mit Medien auch zum Thema, wenn Sie sich mit anderen Eltern, Lehrkräften oder Erzieherinnen und Erziehern in der Kita austauschen. Immer wieder – und nicht erst, wenn es ein Problem gibt.
  • Die modernen Medien haben viele schöne, positive Angebote. Unterstützen Sie Ihre Kinder dabei, sie zu entdecken. Regen Sie sie an, nicht nur zu konsumieren, sondern auch selbst etwas zu gestalten.
  • Vereinbaren Sie gemeinsam Regeln. Und stehen Sie dazu, dass Sie auch selbst mal das Smartphone nicht zur Seite legen können. Eltern müssen nicht alles richtig machen. Wenn Sie Ihr eigenes Verhalten kritisch betrachten, bietet es sogar einen Anlass für ein richtig gutes Familiengespräch.

ÜBRIGENS

Das Thema Internet macht vielen Eltern Sorgen. Wo sagen Sie: Entwarnung – gar nicht so schlimm?

Kathrin Demmler: „Wenn es um die Kommunikation in Sozialen Netzwerken geht. Sie bietet so vieles, das beim Aufwachsen wichtig ist. Jugendliche diskutieren online, streiten auch mal. Das gehört dazu und ist wichtig. Cyber-Mobbing ist fürchterlich. Aber nicht jeder Konflikt ist Cyber-Mobbing!